Abschaffung des Widerspruchsrechts ein „eklatanter Fehler“

Justiz und Inneres

SPD-Rechtspolitiker besuchen Arnsberger Gerichte

Die aktuelle Situation der Justiz in Nordrhein-Westfalen hat die Rechtsausschuss-Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion am 13. Februar bei einem Besuch in Arnsberg beschäftigt. Das Verwaltungsgericht, das Landgericht und die Bewährungshilfe standen auf dem Programm der sozialdemokratischen Landespolitiker.

Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens gegen die Entscheidungen nordrhein-westfälischer Behörden war dabei ein Thema des Gesprächs im Arnsberger Verwaltungsgericht. Präsident Dr. Ulrich Morgenstern berichtete mit einigen der hier tätigen Richter von einem erheblichen Anstieg von Klagen als Folge der Entscheidung der CDU/FDP-Landesregierung. Unklar sei derzeit jedoch, ob das Verwaltungsgericht auch über lange Sicht vermehrt mit Klagen dieser Art rechnen müsse. Die SPD-Rechtspolitiker halten die Abschaffung des behördlichen Widerspruchsverfahrens weiterhin für einen eklatanten Fehler. Thomas Stotko: „Mit dem Zwang, bei streitbaren Entscheidungen von Behörden gleich klagen zu müssen, hat die Landesregierung den Bürgern eine hohe rechtliche Barrikade aufgetürmt. Auch mit dem angekündigten finanziellen Einspareffekt aus dieser Maßnahme rechnen wir nicht“, so der Wittener Politiker.

Referent Uwe Schmidt und die SPD-Abgeordneten Thomas Kutschaty, Anna Boos, Thomas Stotko, Gerd Stüttgen und Frank Sichau auf dem Alten Markt in Arnsberg. Das Verwaltungs- und Landesgericht sowie die Bewährungshilfe waren die Ziele des Arbeitskreises Recht der SPD-Landtagsfraktion.

Auch über die angedachte Zusammenlegung der Verwaltungs- und Sozialgerichte sowie über die hohe Arbeitsbelastung der Verwaltungsgerichte diskutierten die Arnsberger Juristen mit ihren Gästen. Die SPD-Rechtspolitiker beeindruckte in diesem Zusammenhang die hohe Leistungsfähigkeit des Arnsberger Gerichts. Sie zeigt sich zum einen an der vergleichsweise kurzen Verfahrensdauer, zum anderen daran, dass fast drei von vier Fällen ohne Urteile, also durch Vergleiche oder Rücknahmen beendet werden konnten.

Personal: CDU-Justizministerin ignoriert eigene Forderungen

Die mangelhafte Personalausstattung der Gerichte stand bei dem zweiten Gespräch der Politiker im Mittelpunkt, das sie mit dem Vizepräsidenten des Landgerichts Peter Clemen führten. Frank Sichau, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, kritisierte scharf, dass CDU-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter nichts unternehme, um die bedrückende Personalsituation bei den Gerichten zu verbessern. Dies habe die größten Proteste von Richtern und Staatsanwälten in der Geschichte des Landes ausgelöst. Pikant nennt Sichau die Tatsache, dass Müller-Piepenkötter als Ministerin die Forderungen ignoriert, die sie selbst als Vorsitzende des Deutschen Richterbundes NRW gegenüber der rot-grünen Vorgängerregierung erhoben hatte. „Das ist nicht allein eine Frage der Glaubwürdigkeit der gegenwärtigen Justizministerin sondern beschädigt letztlich das Vertrauen in die Politik insgesamt“, urteilt Sichau. In Familiensachen halte NRW mit einer Verfahrensdauer von fast elf Monaten eurpaweit einen traurigen Negativrekord. „Wir werden Frau Müller-Piepenkötter im Ausschuss und im Landtagsplenum immer wieder mit dem Thema der zu geringen Personalausstattung konfrontieren“, kündigte Sichau für die sozialdemokratischen Rechtspolitiker an.

Die Bekämpfung der Kriminalität unter Jugendlichen bildete einen Schwerpunkt der Diskussion bei der Arnsberger Bewährungshilfe. Erfreut zeigten sich die Abgeordneten Stotko und Sichau darüber, dass die demagogische Kampagne des hessischen Noch-Ministerpräsidenten Roland Koch zur Jugendkriminalität zu erdrutschartigen Verlusten der CDU in Hessen geführt habe. „Die Bevölkerung hat gemerkt, dass hier ein Thema aus durchsichtigen Motiven instrumentalisiert worden ist“, so Sichau. Das Thema selbst bleibe wichtig, müsse aber jenseits der Wahlkämpfe seriös und kontinuierlich verfolgt werden. Deshalb bereite die SPD-Landtagsfraktion eine mit anerkannten Experten besetzte Veranstaltung zum Thema jugendliche Intensivtäter vor.

Justizverwaltung: Kritik an Neuregelung der ambulanten Dienste

In der Diskussion mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bewährungshilfe ging es darüber hinaus um die bevorstehenden Veränderungen bei den ambulanten Diensten der Justizverwaltung. Hier sieht die Landesregierung vor, die Bewährungshilfe mit der Führungsaufsicht und der Gerichtshilfe unter einem Dach organisatorisch zu vereinigen. Unter Experten und Beschäftigten stößt dies auf erhebliche Kritik. Sie bezweifeln, ob eine solche Vereinigung den Eigenheiten und unterschiedlichen Zielen von Bewährungshilfe, Gerichtshilfe und Führungsaufsicht gerecht werden kann. Auch gegen das Verfahren an sich gebe es Bedenken. Wieder einmal zeige sich die Regierung beratungsresistent und setze eine vorschnell gefasste Entscheidung um, sagt Thomas Stotko. „Der SPD-Vorschlag lautete stattdessen: Modellversuch bei einigen Gerichten, gründliche Evaluation und darauf fußend eine Entscheidung für das gesamte Land.“

 
 

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